Mittwoch, 30. November 2011

Luftbrotbrechen mit Hexenschuss

Gestern lag ich flach. Hexenschuss. Eine falsche Handbewegung nach dem Aufstehen und zack!! rammt es mir ein Schwert zwischen das rechte Schulterblatt und die Wirbelsäule. Unter Schmerzen konnte ich mir gerade noch die Haare fönen und Klamotten überziehen, um mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Supervision zu gehen. Meine Sinne waren leicht verklärt, weshalb meine grossartigen Selbstreflexionen wohl etwas leicht Verwirrtes an sich hatten. Aber ich habe zwei Stunden durchgebissen.

Dann lag ich den ganzen Tag im Bett. Stocksteif auf dem Rücken zu liegen war noch die einzig mögliche Körperhaltung. Das ist totaaaal langweilig. Über Nacht ging der Hexenschuss weg. Zurück blieb eine Totalverkrampfung des Nackens.

Computer ging gar nicht. Deshalb liess ich für den Konfirmationsunterricht meine ganze Kreativität walten und habe passend zum Thema ein Kirchenjahr gemalt. Gerade als ich so richtig in Fahrt kam und mit bunten Farben (Neocolor! Ich liebe Neocolor!) die verschiedenen Zyklen und Feste hervorheben wollte, kam mein Lehrpfarrer rein.

Ich: Schau, voll schön! - Er: Das kann man in der Grösse im Fall auch ausdrucken lassen. 

Wir sind ein gutes Team.

Noch vor Beendigung des Kreativprozesses begleitete ich meinen Lehrpfarrer zum Friedhof. Das Sitzen in der Abdankungshalle war für mein Rücken eine Tortur. Doch nirgends lernt man so viel, wie bei Abdankungen. Es berührt mich immer wieder sehr, wie wichtig dieses Ritual für die Hinterbliebenen ist, welch grosses Vertrauen einer Pfarrperson hier entgegen gebracht wird und welche Last der Verantwortung damit auf der Liturgin liegt. Es erinnert mich an meine eigenen Momente des Abschiednehmens. Eine Abdankung kann so viel geben! Und sie kann so viel zerstören. Ich habe riesengrossen Respekt vor dieser Aufgabe, die auch noch auf mich zukommen wird.

Danach haben wir in der Kirche zwei Stunden Abendmahl geübt. Ja, das tut eine Vikarin: nachmittags in der Kirche das Abendmahl einüben. Vielleicht haben Sie ja Glück und treffen mal einen von uns beim Kelch-Hochalten und Luftbrotbrechen an.

Der Konf-Abend war übrigens super. Ich habe mich selber dabei überrascht, wie kraftvoll ich die Bedeutung der christlichen Theologie rüberzubringen im Stande bin. Ich schulde meiner Leserschaft während der Adventszeit definitiv einen Eintrag über die politische Sprengkraft des Christentums.

Doch das hält mein Rücken heute Abend nicht mehr durch.

Dienstag, 22. November 2011

Oops, I did it again!

Ohrwürmer sind an sich eine ziemlich mühsame Angelegenheit. Wer erinnert sich nicht an die Tage, an denen Britney Spears uns ununterbrochen 'Oops I did it again' ins Ohr gehaucht hat. Geht nicht mehr weg!

Nicht mühsam sondern leicht peinlich wird es dann, wenn sich ein Gassenhauer des Kirchengesangsbuches in den Ohrwindungen verfangen hat und man sich dann plötzlich dabei erwischt, wie man im Bus oder beim Stadtbummel 'Grosser Gott wir loben dich' vor sich her summt. Bleibt nur hoffen, dass es die anderen nicht zuerst merken!

Wenn sich 22 angehende Pfarrer und Pfarrerinnen im Kloster Kappel am Albis befinden, dann ist der kirchengesangliche Ohrwurm unumgänglich. Der derzeitige Ohrwurm geht auf die Kosten meines Stuhlkreissitznachbars Lukas B. Seit gestern Nachmittag summt er ständig 'Wer nur den lieben Gott lässt walten'. Jetzt summen das alle, ich inklusive. Es nervt total!! Dass keiner von uns über die erste Zeile hinaus kommt, tut der Penetranz der Sache keinen Abbruch. Es summt und singt im ganzen Kloster, immer dieses eine Lied. Ist nur zu hoffen, dass es bis zur Abreise wieder raus ist, damit die Vikare im Postauto nicht im Chor 'Wer nur den lieben Gott lässt walten' summen. Es könnte unserem knackigen Image erheblichen Schaden zufügen. Vielleicht sollte ich einfach mal anfangen 'Oops I did it again!' zu singen! Da kenne ich sogar die zweite Zeile...

Sonntag, 20. November 2011

Spiritualität II

Manchmal fahre ich mit dem Auto zur Kirche, das mir meine Eltern bei Bedarf ausleihen. An den Museen vorbei fahre ich in die Rorschacherstrasse, die nach Osten und stadtauswärts führt. Nach drei Ampeln biege ich rechts ab, Richtung Haldenkirche. Diese Fahrt an sich ist noch nicht besonders spirituell. Aber wenn ich dann nach der Busstation links in die Sackgasse Oberhaldenstrasse einbiege, die direkt zur Kirche führt, dann stellt sich mein Geist irgendwie auf die Verlangsamung der Zeit ein, die in einem gelungenen Gottesdienst spürbar ist. Hier herrscht nämlich Zone 30.

Zone 30 ist ein verkehrspolitisches Zeichen der Achtsamkeit und Rücksichtsnahme. Daran denke ich jeweils, wenn ich das breite Auto zur Kirche lenke. Kirche im Kern sollte genau das sein: Zone 30 für die Menschen. Ein Ort, an dem man aufeinander und auf sich selbst acht gibt. Und die Haldenkirche ist das irgendwie.

Hätte ich früher auch nie gedacht, dass so etwas Banales wie eine Zone 30 spirituelle Empfindungen auslösen kann! Das sagt einem wieder keiner an der Uni... :-)


PS: In solchen Momenten entstehen übrigens Predigten. Nicht am Schreibpult.

Freitag, 18. November 2011

Gretchenfrage - Part I

Gretchen zu Faust: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“

Die Gretchenfrage begleitet mich seit... ja seit wann? Unbewusst wohl schon lange, ich habe meine Fragen nur lange nicht als religiös eingestuft. Bewusst seit dem Tag, als der Philosophieprofessor uns den ontologischen Gottesbeweis des Anselm von Canterbury gelehrt hat. Gott beweisen? Absurd! Darüber wollte ich mehr wissen und schrieb mich nach längerem Ringen für Theologie ein.

Würde mich Gretchen heute fragen, würde ich folgende Geschichte erzählen:

Zwei Rabbiner sitzen abends zusammen und diskutieren, ob Gott existiert oder nicht. Nach stundelanger Auseinandersetzung einigen sie sich darauf, dass Gott nicht existiert und gehen schlafen. Am nächsten Morgen schläft der eine Rabbi aus, während der andere wie jeden Morgen draussen das Morgengebet verrichtet. Als sein Freund das sieht, fragt er ganz erstaunt: "Weshalb betest du denn? Wir sind doch gestern zum Schluss gekommen, dass Gott nicht existiert." Darauf erwidert sein Freund: "Was hat das denn mit Gott zu tun?"

Die Suche nach Antworten auf die Frage nach Gott überfordert mich manchmal. Dann kann ich nichts sagen. Nicht ob, nicht wo und nicht wie. Das Wort Gott wird zur Überforderung

Was bleibt, ist das Suchen. "Sucht das Heilige, damit ihr lebt!" So steht das in der Bibel, beim Propheten Amos.

Donnerstag, 3. November 2011

Martin Luther... Martin wer???

Das Wochenende mit den Jugendlichen in der Speicherschwendi hat mir klar gemacht, wie man eine Konfirmationsklasse dazu bringt, sich einige Fakten über Martin Luther zu merken. Was beschäftigt junge Erwachsene laut Entwicklungspsychologen am meisten? Partnerschaft - Berufseinstieg - Haushalt gründen.

Also muss das die Ausgangslage sein.

Ausschnitte aus dem Konfirmationsunterricht:

Datei:Katharina-v-Bora-1526.jpg"Luther war nicht nur Theologe, er war auch Ehemann. Seine Heirat war für die Kirche ein Skandal, ein S-K-A-N-D-A-L! (mit ganz vielen Ausrufezeichen und Gesten unterstreichen). Der Mönch Luther hat eine Nonne geheiratet. Ein Mönch! Eine Nonne! Das geht für die katholische Kirche gaaaar nicht!"


"Katharina von Bora war eine junge, gutaussehende Frau. Sie lebte im Kloster. Eines Tages hörte sie von den reformatorischen Ideen Luthers. Sie war begeistert! Katharina war eine selbstsichere Frau, und so schrieb sie dem Luther einen Brief. Er solle ihr sagen, ob sie aus dem Kloster ausbrechen soll. Luther fand: Ja natürlich! Er schickte einen Fischhändler vorbei, der Katharina und fünf weitere Nonnen in Fischfässern - Fischfässern! - bei Nacht und Nebel aus dem Kloster rollte."

"Katharina arbeitete in einem Haushalt. Luther wollte die Nonnen unter die Haube bringen. Er präsentierte Katharina zwei charmante Herren, doch sie lehnte ab. Katharina hatte es nämlich auf Martin Luther abgesehen. Er war übrigens 16 Jahre älter. Die ehemalige Nonne schrieb Luther kurzerhand einen Brief und bot sich als seine Ehefau an. Un-ver-schämt! Eine Frau, die dem Mann ihre Hand anbietet! Das ging vor 500 Jahren also gar nicht. Aber Luther und Katharina heirateten."


"Weil Katharina so ein Mannsweib war und in der Beziehung klar die Hosen anhatte, nannte sie Luther in seinen Briefen manchmal 'Herr Käthe'."
Martin Luther (Bild: Wikimedia Commons)

"Sie lebten in einem riesengrossen Haushalt mit rund 50 Leuten. Selber hatten sie sechs Kinder. Da lebten aber auch noch Neffen und Nichten und Adelige auf der Flucht, weil sie sich auf die Seite der Reformation geschlagen hatte."


"Seine wichtigste theologische Idee kam Luther der Legende nach übrigens auf dem Plumsklo. Plötzlich ging ihm auf: nur wenn ich aufrichtig und von innen heraus glaube, dann kann ich auf Gottes Gnade zählen. Mit Geld kann man doch keine Gnade kaufen! Man muss gut leben und aufrichtig glauben! Solche Ideen hatte Luther auf dem Klo..."


Nun, vielleicht können die Konfirmanden und Konfirmandinnen keine theologischen Abhandlungen über die Gnadentheologie schreiben, aber wer in der Ehe Luther die Hosen anhatte und dass man auf dem Klo wichtige Erkenntnisse haben kann, das werden sie so schnell nicht wieder vergessen.